D e r  A l c h i m i s t

Paulo Coelho

7/18   Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht das Leben lebenswert.

 

13/40  Oberhalb der kleinen Stadt Tarifa lag eine alte Festung, die von den Mauren erbaut

worden war, und wer auf ihren Mauern saß, der konnte einen Platz, einen Eisverkäufer

und ein Stück von Afrika sehen.

 

14/41  Er hatte eine Tatsache außer acht gelassen, ein einziges Detail, das ihn noch lange von seinem Schatz fernhalten könnte: In diesem Land sprachen alle Arabisch.

 

4/66  Der Jüngling erwachte noch vor Sonnenaufgang. Inzwischen waren

elf Monate und neun Tage

vergangen, seit er erstmals seinen Fuß auf den Afrikanischen Kontinent gesetzt hatte.

 

17/99 Dann war es, als würde die Zeit plötzlich stillstehen und die Weltenseele vor dem Jüngling auftauchen.

Als er in ihre schwarzen Augen blickte, auf ihre Lippen, die sich nicht zwischen Lächeln und Schweigen entscheiden konnten.

Er verstand den wichtigsten Teil der Sprache, die alle Menschen dieser Erde in ihren Herzen verstehen konnten:

Und der nannte sich Liebe, die Kraft, die älter war als der Mensch oder die Wüste. Die Kraft, die immer mit gleicher Gewalt wieder entstand, überall dort, wo sich zwei Augenpaare begegnen.

Ihre Lippen entschieden sich endlich für ein Lächeln, und das war ein Zeichen, worauf er, ohne es zu wissen, sein Leben lang gewartet hatte. Welches er in den Büchern, in den Wolken und in der Stille der Wüste gesucht hatte.

 

17/100  Es ist so leicht zu verstehen, daß es auf der Welt immer Menschen gibt, die aufeinander warten, in der Wüste oder mitten in einer Großstadt.

Wenn diese Menschen einander begegnen und ihre Augen sich finden, dann verliert die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an Gewicht, und es gibt nur diesen Augenblick der absoluten Gewißheit, daß alle Dinge in der Seele der Welt entstanden sind, der Seele, die auch die Liebe erweckt, und die eine Zwillingsseele für jeden Menschen verteilt,

der unter der Sonne arbeitet, ausruht und Schätze sucht.

Denn sonst hätten die Träume der Menschen nicht den geringsten Sinn.

Tamangur“, dachte der Jüngling.

 

18/102  Ich muß dir etwas Wichtiges sagen. Ich möchte, daß du meine Frau wirst. Ich liebe dich.“

Das Mädchen ließ das Wasser überlaufen.

„Ich werde täglich hier auf dich warten. Ich habe die Wüste durchquert, um einen Schatz zu suchen, der in Arabien liegt.

Der Krieg war mir ein Fluch. Doch jetzt ist er mir ein Segen, weil er mich zu dir geführt hat.“

„Der Krieg wird eines Tages beendet sein“, sagte das Mädchen.

D e r  A l c h i m i s t

Paulo Coelho

18/104  „Du hast mir deine Liebe gestanden. Dann hast du mir von schönen Dingen erzählt, von der Liebe

in der Weltsprache und der Seele der Welt. So werde ich allmählich ein Teil von dir.“

Der Jüngling lauschte ihrer Stimme und fand sie lieblicher als das Geräusch des Windes in den Dattelpalmen.

„Ich habe schon lange Jahre an diesem Brunnen auf deine Ankunft gewartet. Ich kann mich nicht mehr an meine Vergangenheit erinnern, auch nicht daran, was die Männer erwarten, wie sich die Frauen der Wüste verhalten sollen. Seit meiner Kindheit träume ich davon, daß mir die Wüste das größte Geschenk meines Lebens bringen würde. Das Geschenk bist du.“

Der Jüngling wollte ihre Hand ergreifen...

„Du hast mir von deinen Träumen erzählt, von dem Wolkenflug und dem Schatz. Du hast mir auch von den Zeichen erzählt. Ich habe nichts zu befürchten, denn diese Zeichen haben dich zu mir gebracht.

Ich bin ein Teil deines Traumes, deines Lebenswegs. Darum möchte ich, daß du weiterziehst um deinen Schatz zu finden. Gehe um deine Bestimmung zu erfüllen.

Die Dünen verändern sich mit dem Wind, aber die Wüste bleibt immer gleich.

Und so wird es auch mit unserer Liebe sein.“

„Tamangur“, fügte sie hinzu. „Wenn ich ein Teil deiner Bestimmung bin, dann wirst du wiederkommen.“

 

18/105  Die Wüste nimmt unsere Männer in sich auf und bringt sie uns nicht immer zurück“, sagte sie.

„Dann finden wir uns damit ab. Und sie leben weiter in den Wolken die ohne Regen sind, in den Tieren die sich zwischen den Steinen verstecken, und in dem Wasser, das so gleichmäßig aus den Brunnen strömt. Sie werden ein Teil des Ganzen, der Seele der Welt.

Einige kommen zurück. Das beglückt auch die übrigen Frauen, denn dann wächst ihre Hoffnung, daß ihre Männer auch eines Tages wiederkehren. Vorher beneidete ich diese Frauen. Aber jetzt habe ich auch jemanden, auf den ich warten kann.

Ich bin eine Wüstenfrau und ich bin stolz darauf. Mein Mann soll sich frei bewegen wie der Wind, der die Dünen bewegt. Auch ich will meinen Mann in den Wolken, den Tieren und dem Wasser sehen können.“

 

23/123  „Nun zeige mir das Leben in der Wüste“, sagte der Alchimist. „Denn nur wer Leben findet, kann auch Schätze finden.“

23/124  „Ich kann kein Leben in der Wüste entdecken“, sagte der Jüngling.

„Leben zieht Leben an“, bemerkte der Alchimist.

„Hier gibt es Leben“, antwortete der Jüngling plötzlich. „Ich kenne die Sprache der Wüste noch nicht, aber mein Pferd kennt die Sprache des Lebens.“

 

24/129  „Ich gehe“, sagte er zu Fatima. „Und ich möchte, daß du weißt, daß ich zurückkommen werde.

Ich liebe dich denn...“

„Sag nichts mehr“, unterbrach sie ihn. „Man liebt weil man liebt. Dafür gibt es keinen Grund.“

Aber der Jüngling fuhr fort: „Ich liebe dich, weil ich einen Traum hatte, zwischen Donner und Blitz war, die Wüste und den Himmel durchquerte, den Krieg gesehen habe und den Alchimisten suchte. Ich liebe dich, weil das ganze Universum dazu beigetragen hat, daß ich zu dir gelangte.“

Sie umarmten sich. Es war das erste Mal, daß ihre Körper sich berührten.

 

 

Aus „DER ALCHIMIST“ von PAULO COELHO. Ausgewählt, teilweise geändert und TAMANGURISCH interpretiert am 13. Mai 2000

Ich widme diese Texte den Mädchen und Frauen, der Weltenseele und dem wunderbaren Land Libyen.*

Claudio de Ceola

 

*Antoine de Saint Exupéry beschreibt in

WIND, SAND UND STERNE

seinen Flugzeugabsturz und seine Rettung in der Libyschen Wüste.

Dieses Werk ist für mich eine der bedeutendsten schriftstellerischen Leistungen der Weltliteratur.

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